Das IFS Modell

von | Sep 1, 2023 | IFS-Internal Family Systems

Das Innere Familien System (IFS) beschreibt, wie wir unsere Vorstellungen von der Welt, uns selbst und anderen Menschen organisieren und repräsentieren. Es erklärt unter anderem, dass der Mensch aus einer vielfältigen Mischung unterschiedlicher innerer Anteile besteht, in dessen Zentrum das sogenannte Kernselbst liegt. Und jeder einzelne innere Anteil hat seine eigene Perspektive von Ich. Hat eigene Interessen, Erinnerungen und Sichtweisen. Diese inneren Anteile sind Aspekte des eigenen Selbst. Jeder Mensch hat innere Anteile, die abhängig von der persönlichen Geschichte und Umständen entstanden sind. Es gibt dominantere innere Anteile, subtil agierende und eher versteckte Anteile.

Das IFS beschreibt ein organisatorisches Prinzip unserer Psyche, wie wir unsere menschliche Erfahrung strukturieren und auf äußere und innere Stimuli reagieren.

Inneres Kind

Wir haben eines oder mehrere innere Kinder, weil wir einmal Kinder waren. Das innere Kind ist ein Teil des Selbst, das sich an die Erfahrungen und Emotionen erinnert, die in der Kindheit erlebt wurden. Das Innere Kind kann sowohl positive als auch negative Emotionen enthalten, abhängig davon, welche Erfahrungen gemacht wurden. Im beratenden Kontext hat man es allerdings oft mit einem verwundeten/traumatisierten inneren Kind zu tun.

Diese Wunden können durch Vernachlässigung, Missbrauch, Gewalt oder andere traumatische Ereignisse verursacht werden, die das Selbstwertgefühl, das Vertrauen und die Bindungsfähigkeit beeinträchtigen. Ein traumatisiertes inneres Kind kann sich in verschiedenen Formen äußern, wie z.B. Angst, Depression, Wut, Scham, Schuld oder Suchtverhalten.

Innerer Kritiker

Wir haben innere Kritiker, weil wir alle im Laufe unserer Entwicklung und Sozialisierung von unseren Eltern und anderen Autoritätspersonen kritisiert wurden. Dieser innere Kritiker ist eine Internalisierung einer von außen auf uns einwirkenden Kritik, die wir erlebten. Im Laufe des Erziehungsprozesses, den wir vom Kleinkind, Kind und jungen Erwachsenen durchlaufen, werden sich einige Situationen ergeben, die wir gefühlsmäßig und geistig als schmerzhaft erlebten.

Wir alle kennen Sätze, wie etwa:

“Warum kannst du das nicht?”

„Das bekommst du sowieso nicht hin.“

”So wird nie etwas Richtiges aus dir werden.”

“Hör auf, mir auf die Nerven zu gehen!”

„Du bringst Schande über die Familie.“

„Du hast zwei linke Füße.“

„Daran bist nur du schuld.“

„Dir fällt immer nur Blödsinn ein.“

Ein sehr großer Teil der menschlichen Erfahrung und des Lebens an sich beruhen auf Wiederholungen. Ob wir nun Mathematik lernen, Bodybuilding machen oder einen Beruf lernen – der Erfolg beruht darauf, dass wir die spezifisch notwendigen Dinge dafür wieder und wieder ausführen und wiederholen.

Dr. med. Jochen Peichl, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, schreibt in seinem Buch “Rote Karte für den inneren Kritiker” dazu:

“Psychologen wie der US Amerikaner Jerome Kagan schätzen, dass ein Kind mit 14 Monaten etwa alle 9 Minuten ein Verbot oder Kritik von den Eltern hören würde. An anderer Stelle habe ich gelesen, dass ein Kind bis zum 5. Lebensalter schon mehr als 40 000-mal getadelt wurde – ca. 666 Mal im Monat und 22 Mal am Tag.“

Das vermittelt uns eine gute Vorstellung davon, wie viel Kritik jeder und jede von uns eingesammelt hat. Und zwar in einer völlig „normalen“ Familie, ohne Schläge, ohne sexuellen Missbrauch. Die emotionalen Erfahrungen, die wir in unserer Kindheit gemacht haben und die Rückschlüsse, die wir daraus gezogen haben, werden die weitere Entwicklung unserer Persönlichkeit und auch unseres Verhalten im Erwachsenenalter beeinflussen.

Wie milde oder streng wir als Kind kritisiert wurden, definiert die Art und Weise, wie wir uns selbst später im Leben kritisieren. Die gehörte Kritik in der Kindheit wurde so stark verinnerlicht und in uns hineingenommen, dass sich daraus ein innerer Kritiker entwickelt. Es ist der Job des inneren Kritikers, sich selbst und alle anderen zu kritisieren. Oft auf eine sehr negative Weise, die das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen untergraben kann. Der innere Kritiker ist diese ewig nörgelnde Stimme in unserem Kopf, die uns ständig beurteilt, kritisiert und zweifeln lässt und dir das Gefühl gibt, nicht gut genug, nicht klug genug oder nicht liebenswert genug zu sein.

Die Grundhaltung des IFS

Es gibt mittlerweile mehrere Denkschulen, die mit dem inneren Personenmodell arbeiten. Das IFS, nach Richard C. Schwartz, hat eine besondere Stärke:

Es legt überzeugend dar, dass kein innerer Anteil schlecht oder böse ist. Ganz egal in welchem Zustand ein innerer Anteil ist, jeder tut sein Bestes, auch wenn seine Handlungen kontraproduktiv sind und/oder Dysfunktion verursachen. Selbst der meist gefürchtete  innere Kritiker hat eine gute Absicht. Der innere Kritiker ist eigentlich ein Teil von uns, der uns schützen und motivieren will. Er will uns vor Ablehnung, Versagen oder Schmerz bewahren, die von Außen auf uns zukommen könnte, indem er uns auf unsere vermeintlichen Mängel selbst hinweist. Die Absicht seiner Kritik ist Motivation, damit wir uns verbessern, lernen und wachsen. Das mag auf den ersten Blick unlogisch erscheinen, da seine oft sehr negative Kritik das Selbstwertgefühl untergräbt, unsere Angst verstärkt oder unsere Freude vermindert.

Der Punkt ist, dieser Teil weiß es nicht besser. Der innere Kritiker und die Weise, wie er agiert, wurde früh in unserer Kindheit entwickelt, darin liegt seine Grundveranlagung und sein Programmrepertoire ist die elterliche Kritik, die wir einst hörten. Das ist seine Logik. Er ist wie eine alte Schallplatte, die einen “Sprung” hat.

Jede Art von „problematischem Verhalten“ ist erklärbar und nachvollziehbar. Durch diese Grundhaltung des IFS gibt es keinen Grund für Schuldzuweisungen oder Beschämung. Keine Notwendigkeit, mit inneren Teilen zu kämpfen, Zwang auszuüben oder gar eliminieren zu wollen. Von dieser Grundhaltung aus ist es viel einfacher, mit den jeweiligen inneren Anteilen in Kontakt zu kommen. Und dadurch entsteht Veränderung.

Das IFS zielt darauf ab, verletzte Teile zu heilen und das mentale sowie emotionale Gleichgewicht wiederherzustellen. Und dafür müssen wir mit den inneren Anteilen in Beziehung treten.

Arbeit mit inneren Anteilen bedeutet eben nicht nur sie zu beobachten – dafür ist Wissen und Erkenntnis hilfreich und grundlegend. Um beobachten zu können, brauche ich auch eine gewisse Hintergrundklarheit über die Zusammenhänge – ich kann Anteile nur beobachten, wenn ich weiß, es gibt Anteile – sonst fühlt es sich ja immer wie „Ich“ an und ich verstehe mich nicht, warum bin ich mal so und mal so…
Das Beobachten allein ist aber sozusagen „nur“ eine Grundlage für die Arbeit, die dann zu tun ist. Die Arbeit, die dann zu tun ist, ist wirklich in Kontakt zu kommen mit diesen Anteilen und dabei dann auch all die Schritte zu tun, die in der Arbeit mit diesen Anteilen wichtig ist – sie kennenlernen, sie befragen, sie verstehen, herausfinden, was sind ihre Gefühle, Empfindungen, Körperreaktionen, was sind ihre „Trigger“, wie ist ihre Beziehung zu anderen Anteilen? Das ist eine vielschichtige Arbeit und damit innere Anteile – und damit auch unsere Reaktionen im Außen – sich verändern können, braucht es dann eine Art innere Beziehungsarbeit im Austausch mit diesen Anteilen.

 

 

 

© 9 /2023 Sabine Almer-Steindl. Alle Rechte Vorbehalten.
Foto credit: Canva Pro

 

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